ERZÄHLUNGEN
 
Weltweite Grippeepidemie – In Wangs starb 1918 niemand daran!

Die weltweite Grippeepidemie erfasste die Schweiz von Westen her in zwei Wellen: Über 4000 Todesopfer forderte sie erstmals in den Monaten Juni und Juli 1918. Im September flaute die Grippe ab. Doch im Oktober und November schlug das Virus noch stärker zu. Ein Ende der Epidemie zeichnete sich jedoch erst im Frühling 1919 ab. Die sogenannte „spanische Grippe“ forderte in der Schweiz rund 25000 Tote. Weltweit fielen ihr – nach vorsichtigen Schätzungen – 50 Millionen Menschen zum Opfer. Die Pandemie war in ihrer Intensität mit der Pest vergleichbar. Die Herkunft des Virus ist nach wie vor ungeklärt. Vermutlich schleppten chinesische Arbeiter die Seuche in die USA ein, und US-Truppen brachten den Krankheitserreger nach Europa. Die damalige Medizin stand der Grippeepidemie hilflos gegenüber.

Pfarrer Künzles Grippetee

Von 1909 – 1920 betreute Johann Künzle die Pfarrei Wangs. Als 1918 die fürchterliche Grippe auch in der „Terra plana“-Region wütete, hielt der Kräuterpfarrer einen speziellen Tee bereit, der in seinem Kräuterdepot gratis abgeholt werden konnte. Die Dorfbevölkerung machte vom Angebot regen Gebrauch. Erstaunlicherweise starb in Wangs niemand an der „spanischen Grippe“. Dieser Heilerfolg des beliebten Pfarrers erregte grosses Aufsehen und machte ihn bekannt. Immer mehr Leute wandten sich an den Kräuterkundigen und erflehten von ihm Hilfe und Rat.
 


Umzug nach Zizers 1920

 

Im Herbst 1920 hat Pfarrer Künzle seinen Hirtenstab als Seelsorger in Wangs niedergelegt. „I chan unmögli zwei Herrä auf zmol dienä“, sagte er. Der Zustrom von Leidenden und die immer grössere werdende Korrespondenz wurden zuviel. Auf eine Einladung des Bischofs von Chur, Dr. Georgius Schmid von Grüneck, hat sich der Kräuterpfarrer entschlossen, ins gelobte Land der Bündner umzuziehen. Zusammen mit seiner Nichte, Christine Künzle, die volle 28 Jahre seine persönliche Sekretärin war, wurde der Umzug nach Zizers geplant. Eine nicht alltägliche Möbelfuhre, eine Fuhre mit altausgedienten Möbeln und ärmlicher Einrichtung, samt Geschirr und Haustieren, wurde auf einem Pferdekarren verladen. Von Wangs nach Sargans und weiter über Maienfeld ins damals noch autofreie Rhätia (Autofahrverbot im Graubünden bis 1925) ging die allseits bewunderte Karawane. Angekommen am „Kap der guten Hoffnung“, der zukünftigen Heimat in Zizers, erwartete den Kräuterpfarrer mit seiner Nichte Christine ein altes Bauernhaus mit Schopf und Stall. Eine „vorsündfluetliche Hötte“ hat Johann Künzle seine neue Behausung genannt. Ohne Licht und ohne Wasser, ganz im Stil des „Robinson Crusoe“.
 

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Pfarrer Künzles Wohnhaus Helios, Zizers

Das 1931 von Pfarrer Künzle erbaute Chalet in Zizers wird im Sommer 2007 einer Neuüberbauung weichen müssen, d.h. das Chalet wird abgerissen. Der Pfarrer Künzle Verein hat jedoch das grosse Glück, einige historisch bedeutende Gegenstände wie z.B. die Grotte, den wunderschönen Kachelofen u.a. zu bekommen. Geplant ist ein Pfarrer Künzle Museum in Wangs, wo diese Gegenstände dann auch einen besonderen Ehrenplatz bekommen werden. Die Grotte wurde im August 2007 nach Wangs entlang des Pfarrer Künzle Wegs - versetzt!
 
 


Abbruch Haus Helios, Zizers

Im August 2007 war es dann tatsächlich soweit: Das Haus wird abgerissen
 
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Neue Attraktion am Pfarrer Künzle Weg: Grotte aus Zizers nach Wangs versetzt!
Die in den 30er Jahren von Johann Künzle errichtete Grotte aus seinem Garten in Zizers konnte vor dem sicheren Abriss bewahrt werden. Sie konnte nach tagelanger aufwendiger Vorarbeit durch unser Aktivmitglied Toni Frey aus Wangs am 2. August nach Wangs versetzt werden. Sie steht nun entlang des Pfarrer Künzle Wegs, genauer gesagt auf dem Rappagugg - mit tollem Ausblick.
 
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Alter Standort in Zizers


   
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Transport durch Firma Käppeli Logistik AG
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Entlang des Weges musste der Lastwagen
die wertvolle Fracht rückwärts zum neuen Standort fahren.
Kein Problem für den geübten Fahrer.
   
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Präsis und mit ruhiger Hand hebt der Fachmann
 die Grotte mit dem Spezialkran auf den Boden.
Das Gewicht beträgt ca. 8 Tonnen!
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In den nächsten Monaten werden
die Ausbauarbeiten
für die Grotte durchgeführt.
   
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Dank präsiser Vorarbeit durch Toni Frey
konnte die Grotte optimal gesetzt werden.
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Auch die Madonna wird nach ihrem "Lifting" wieder
ihren Platz in der Grotte bekommen.

 
 


Sein Wirken in Graubünden
 
Bevor des Kräuterpfarrers Heilmethoden offiziell anerkannt wurden, galt es im Bündnerland nocheiniges Misstrauen und Sturmwetter zu überwinden. Nicht alle waren von den Heilerfolgen des Kräuterdoktors begeistert. Einige Ärzte fürchteten um ihre Existenz und die Behörden um ihr Ansehen, wenn sie tatenlos zusahen. Eine Volksinitiative und eine kantonale Abstimmung haben mit einer überwältigenden Zustimmung die Heiltätigkeit des damals schon weltbekannten Kräuterpfarrers Johann Künzle auch in Graubünden offiziell legalisiert. Als sich die Kunde vom Kräuterpfarrer und dem glänzenden Sieg verbreitet hatte, ist eine wahre Völkerwanderung nach Zizers ausgebrochen. Arm und reich, Leute aus allen Ständen, sogar gekörnte Häupter waren dabei, auch fromme Klosterleute, strenge Schulmeister, spitzfindige Advokaten, Bauern, Arbeiter, Frauen und Kinder. Alle haben ihre „Sorgenpakete“ mitgebracht. Konsultationen beim Pfarrer waren kurz und bündig. Künzle machte kein Zeremoniell aus den Sprechstunden und verlangte das auch nicht von seinen Patienten. salvia
Wohnhaus Salvia
   
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Wohnhaus Helios (erbaut 1931 - Abbruch 2007)

Nach seinen Methoden und der grossen Erfahrung stellte er die Krankheit fest und gab die entsprechenden Ratschläge. Die erteilten Hilfeleistungen richteten sich vielfach auf die damals weit verbreiteten ungesunden Lebensgewohnheiten. Zuviel Alkohol (gebrannte Wasser), Rauchen, feuchte und kalte Behausung, einseitige Ernährung, sogar Äusserungen über bauchfreie Frauenmode kann man in den Schriften vom heilkundigen Pfarrer finden. Die Patienten kamen, zum Teil in Gruppen, aus St. Gallen, Basel und der ganzen Schweiz. Aus Süddeutschland reisten derart viele mit dem Zug an, dass in Konstanz spezielle Bahnbillette Konstanz-Zizers und retour herausgegeben wurden.

Eine halbe Welt ist durch das Sprechzimmer im Haus „Salvia“ und später „Helios“ in Zizers gezogen. Nur selten ist dem Menschenfreund Pfarrer Johann Künzle etwas entgangen. Seine verborgene Wohltätigkeit hat viele verdrossene Frauen und Kinder leuchten lassen wie eine goldene Herbstsonne. Ihm selber hat es am meisten beglückt und erwärmt.



Pfarrer Künzle's Leibkoch - Hans Küttel
(Privatfotos der Familie Küttel)
 

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Kräuterdepot Zizers
(Privatfotos der Fam. Georges Däscher, Zizers)
 

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Portraits Johann Künzle
(Privatfotos der Fam. Georges Däscher, Zizers)
 

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Von Zizers nach Minusio
Mit dem Hinschied von Johann Künzle verlor die Welt einen der grössten Pioniere der Pflanzenheilkunde. Sein Werk lebte und lebt jedoch weiter. Im Mai 1939 wurde das florierende Künzle-Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Eine Steueraffäre führt dazu, dass die Kräuter-Pfarrer Künzle AG 1954/55 das Domizil in Zizers aufgab und nach Minusio bei Locarno übersiedelte.

In den 70er- und 80er-Jahren wurden Jahr für Jahr rund 50 Tonnen Heilkräuter - vorwiegend osteuropäsicher Herkunft - zu Tees, Tabletten, Einreibemitteln, Salben und Stärkungsmitteln verarbeitet. Der Jahresumsatz betrug über drei Millionen Franken. Ein Drittel der Künzle-Produkte ging in den Export.

In den letzten 15 Jahren gerieten die Naturpräparate bei der Kundschaft etwas in Vergessenheit, weil eine effiziente Marktbearbeitung fehlte. Im Jahre 1997 erwarb Stefano Airoldi die Rechte für die Registrierung und die Marke. Nach fünf Jahren sorgfältiger Entwicklungsarbeit erfuhren die Präparate im Jahre 2003 eine Neuregistrierung bei "Swissmedic". Neue Partner für Produktion, Logistik und für das ADT machten den Weg frei, die pflanzlichen Therapieprodukte im Markt neu zu positionieren. Die Marke "Kräuter-Pfarrer-Künzle" ist in den Läden des Schweizerischen Drogistenverbandes wieder präsent und erfährt 60 Jahre nach Künzles Tod eine Rennaissance.

"Das grosse Kräuter-Heilbuch", Ratgeber für gesunde und kranke Tage von Johann Künzle, ist im Buchhandel wieder erhältlich.




Pfarrer-Künzle-Stube auf dem Ballenberg
Die Künzle-Stube befindet sich auf Ballenberg im Haus von Herzogenbuchsee in der Baugruppe Berner Mittelland. Im gleichen Haus befindet sich auf die historische Drogerie und direkt daneben der Heilkräutergarten mit über 200 Heilpflanzen.

Darin aufgestellt sind:
Original-Exponate aus Zizers von Pfarrer Künzle, so z.B. das Pult, das Tintenfass, der Schirm, der Hut, alte Bücher usw..

 
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Original Pfarrer-Künzle-Stube aus Zizers
 


Textauszug aus "Warum ich dieses Büchlein schreib" 
verfasst von Johann Künzle, Oktober 1911

Wenn man mir zuruft: Schuster bleib beim Leisten, die Kräuterkunde sei Ärztesache und gehe den Pfarrer nichts an, so kann ich erwidern, dass ich gerade wieder einen Leist aus dem Dunkel herausgezogen habe, auf dem in früheren Zeiten fast alle Landpfarrer gearbeitet haben. Im Mittelalter war jeder Pfarrer etwa Mediziner; jedes Kloster hatte einen Mönch, der sich mit der Kräutermedizin befassen musste; ja sogar Bischöfe scheuten sich nicht, Kräuterbücher herauszugeben. Somit arbeite ich nicht auf gestohlenem Grunde, sondern auf einem alten Erbteil.

Viele Ärzte verweisen zudem die Leute immer auf Hausmittel. Ist's nicht gut, wenn ich da den Leuten den Gebrauch dieser Hausmittel neuerdings zeige? Der Ärzteberuf leidet darunter nicht, denn in das ganze grosse Gebiet der Chirurgie und der Serumbehandlung greife ich nicht ein.

Üeberdies haben manche Ortschaften 2 bis 3 Stunden und noch mehr zum Arzt und im Wintersturm ist's oft fast unmöglich, den Doktor herbeizuholen; in manchen Fällen, wie Kolik, Blutvergiftung usw. ist das Übel bis zum Eintreffen des Arztes unheilbar geworden; etwas Kräuterkenntnis kann da manchem das Leben retten. Weit entfernt also, Konkurrent der Ärzte zu sein oder gar Gegner. Dir Kräuterkunde ist viel älter als die heutige chemische Medizin, sie geht bis hinunter zur Wiege der Menschheit, Selbst den Tieren hat der Schöpfer einen Instinkt gegeben, der sie bei Krankheiten zu gewissen Pflanzen hintreibt. Hund und Katze nehmen Zuflucht zum Schliessgras oder Knäuelgras, die Mäuse legen sich einen Vorrat von Pfefferminzwurzeln an, die roten Ameisen pflanzen überall auf ihren Wohnungen den Thymian, verwundete Gämsen welzen sich auf Alpwegerich usw. Soll der Mensch allein ganz unbehilflich dastehen und zuerst zehn Jahre studieren müssen, bis er sich helfen kann? Unser Büchlein zeigt, dass der Herrgott dem Menschen die besten Heilkräuter in den Weg gelegt hat, vor die Haustüre, in den Garten als unvertilgbares Unkraut, in die nahe Wiese, in den Berg und Wald. Dem Volke zu helfen ist eine christlich-soziale Tat, mögen daher alle jene, denen das Wort des Volkes am Herzen liegt und die dazu Zeit und Gelegenheit haben, die alte, vergessene Kräuterkunde studieren und den Leidenden schnelle, wohlfeile, unschädliche Hausmittel reichen. Es gibt dann immer noch Fälle genug, wo diese nicht mehr ausreichen und der Arzt geholt werden muss, der mit allen modernen Hilfsmitteln ausgerüstet ist.



Selina Lenherr, Grabs - Pfarrer J. Künzle war Ihr Ururgrossonkel

Auszug aus der Diplomarbeit von Selina Lenherr, Grabs

Selina Lenherr besucht in Sargans das letzte Schuljahr der Diplommitelschule. Ihre Diplomarbeit hat Sie über das Thema "Kräuterpfarrer Künzle" geschrieben. Johann Künzle war ihr Ururgrossonkel!
Zudem fand im Februar 2006 eine Ausstellung in der Katholischen Kirche in Buchs statt. Eine gelungene Vernissage! Einen Teil Ihrer Vernissage ist von April bis Oktober 2006 im Regionalmuseum Werdenberg (Schlangenhaus) zu besichtigen.


Die Familie Künzle

Vater Jakob Künzle, Mutter Maria Künzle-Fürer. Am 16.10.1837 heirateten sie und hatten 12 Kinder. Davon erreichten nur Ferdinand, Wilhelm, Augustin, Johann und Maria das reife Alter. Die anderen starben sehr früh.

Johann's Kindheit

Im Hinterespen besass die Familie einen Bauernhof, der ausschliesslich von der Mutter und den Kindern bewirtschaftet wurde. Der Vater arbeitete bei einem Handelsgärtner in der Stadt für einen Taglohn von Fr. 2.--.

Die Lebensweise der streng katholischen Familie war sehr einfach. Gewöhnlich standen sie um 5 Uhr auf. Wer in die Stube eintrat, nahm das Weihwasser und grüsste "Gelobt sei Jesus Christus!" Vor und nach dem Essen wurde gebetet. Schon als kleiner Junge schenkte Johann seine grosse Aufmerksamkeit den Pflanzen und Lebewesen. Er half häufig seinem Vater bei der Gärtnerarbeit, dabei lernte er vieles über Pflanzen und Blumen. In Johann erwachte die Liebe und das Interesse für die Welt der Pflanzen, eine Neigung, die für seine Zukunft bedeutsam war.

Als im Jahre 1869 sein Vater starb, war Johann gerade 11 Jahre alt. Von den Kindern war noch niemand alt genug, um den Hof zu übernehmen. Deshalb verkaufte die Familie das Bauerngut, auf dem sie gewohnt und gearbeitet hatten. Der Bruder August trat seine erste Stelle als Lehrer in Wildhaus an und nahm die Mutter und Johann bei sich auf.

Gottes Apotheke
"Glaube an die Heilkraft der Natur" hiess sein Leitsatz. Der Kräuterpfarrer nannte die Pflanzen und Blumen, welche die Grundlagen für seine Teemischungen und Kräuterpräparate bildeten, Gottes Apotheke. Er wusste auf Grund seiner Erfahrung, jedem Kraut den richtigen Platz in der Hausapotheke zuzuweisen.

Pfarrer Künzle erklärte, dass der grösste Teil aller Krankheiten, die Ursache in einem gestörten Stoffwechsel haben. Ihm war wichtig, die Teekräuter und Pillenstoffe so zu mischen, dass alle Organe, die irgendwie erreicht werden konnten, in ihrer Wirkung unterstützt und gestärkt werden. Der Kräuterpfarrer fand Heilstoffkombinationen mit wundervollen Erfolgen.

Neben vielen Teemischungen produzierte er auch die Lapidar-Kräutertabletten. Lapidar ist ein giftfreies Kräuterheilmittel, ohne chemische Zusätze. Es wirkt günstig auf den gesamten menschlichen Organismus, regt die Tätigkeit der inneren Organe an, fördert die Blutzirkulation und die Darmtätigkeit.

Bei einer Behandlung klärte der Kräuterpfarrer den Patienten über die ungesunden Lebensgewohnheiten, wie zuviel Alkoholkonsum, Rauchen, feuchte und kalte Behausung, einseitige Ernährung und bauchfreie Frauenmode auf. So bezogen sich seine Ratschläge oftmals auf diese Lebensgewohnheiten, die man beseitigen sollte.

"Luegend, dass ehr e normali Bluetzirkulation
und Verdauig und en rüebige Schlof hand,
dass ehr andere Lüt viel Freud mached,
e heiters Gmüet hand, das me eu dehei gern hät
und oswärts achtet, sowäg verlängered ehr euri Läbesziit!"

(Chrüterpfarrer Johann Künzle)





„Damals herrschten noch strenge Sitten“ 
(Bericht im Sarganserländer vom 23.3.06 von Bartholomé Hunger)
 

Im Sommerprospekt 2006 „Pizol (das ist der Gipfel)“ ist er bereits beschrieben, der neue Pfarrer Künzle Weg, der dieses Jahr angelegt wird. Pfarrer Künzle, der weltbekannte Kräuterarzt, hat in den Jahren 1909 – 1920 in Wangs gelebt und gewirkt. Er ist viele Jahre später Inspiration zu einer Themenrundwanderung mit Kräuterbildtafeln via Tobel, Rappagugg nach Vilters und zurück nach Wangs. Dabei sollen gemäss dem Willen des Vorstandes des Pfarrer Künzle Vereins und im Einverständnis mit dem Besitzer auch die Original-Sudhäfen und Badeanlagen im ehemaligen Kurhaus Bad Wangs (heute Ferienanlage Fatima) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.



Und gerade diese Anlage bildete kürzlich für den Vorstand Anlass, Zeitzeugen zu befragen. Man wollte mehr wissen über den damaligen Betrieb im Kurhaus und speziell natürlich auch über den Badebetrieb. Aus diesem Grunde hatte man zwei Zeitzeugen zu einem Gespräch ins Restaurant Traube nach Mels eingeladen. Sowohl die gebürtige Walliserin Helen Kalberer-Wyss als auch Trauben-Wirtin Margrit Hidber waren im damaligen Kurhaus in den verschiedensten Chargen tätig. Und sie erzählten quasi „frisch von der Leber“ ihre Erlebnisse im Kurhaus mit dem damaligen Besitzerpaar aber auch mit den Gästen, Lieferanten, Handwerkern usw.
 
strenge sitten
Sie haben im damaligen Kurhaus Wangs
während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg
im Kurhaus Wangs gearbeitet:
Helen Kalberer-Wyss (links) und Margrit Hidber.
Die beiden haben kürzlich dem Vorstand
des Pfarrer Künzle Vereins die Arbeitsbedingungen
und die Tagesabläufe geschildert.

Ab vier Uhr in der Früh gebadet
„Bereits um vier Uhr in der Früh weckten wir die ersten Gäste für die Bäder“, beginnt Helen Kalberer mit ihren Schilderungen über den Tagesablauf. Dass bis gegen zehn Uhr in der Nacht – notabene ohne Zimmerstunde – gearbeitet werden musste, schiebt sie hinterher. Bereits vor vier Uhr wurden die Kräuter in grossen Behältern gesotten und im Hause verbreitete sich ein wohlriechender Kräuterdampf. Jedem Bad wurden rund 50 Liter reiner Kräuterabsud beigegeben. Selbstverständlich wurde die braune Brühe nach jedem Bad der Kanalisation zugefügt und es mussten vor allem anschliessend die sieben Wannen wieder blitzblank geschrubbt werden. „Eine strenge Arbeit“, seufzt Helen Kalberer heute.
Um 8 Uhr war die jeweilige Badezeit beendet und gleich anschliessend fand die Phase der Wickel statt, die teilweise an Stelle der Bäder appliziert wurden. Dann hiess es für die Gäste schlafen und anschliessend wurde ihnen das Frühstück serviert. Nach dem Frühstück standen Massagen, Teekuren und die Einnahme der weltberühmten Lapidar-Tabletten auf dem Programm. Dabei hatten die Angestellten Pflicht, die ärztlichen Vorschriften haargenau einzuhalten.


Einschlägige Diätküche mit Erfolg
Selbstverständlich war auch eine Diätküche in Betrieb. Dazu Helen Kalberer: „Eine Frau aus dem Kanton Glarus hat damals innerhalb von etwas mehr als drei Wochen 40 Kilogramm ihres Gewichtes verloren. Und sie verliess das Kurhaus kerngesund. Genau gleich wie jener männliche Patient, der beim Eintritt nicht mehr gehen konnte und nach rund drei Wochen völlig geheilt nach Hause gefahren ist.“

Die Tages-Pension betrug gemäss den Aussagen von Margrit Hidber Fr. 6.50. Aber auch der Verdienst der Angestellten war mit 30 Franken im Monat nicht sehr hoch. Klar dass Kost und Logis in diesem Gehalt miteinbegriffen war. Apropos Logis: Das Personal nächtigte zu sechs Personen in einem Zimmer ohne fliessendes Wasser und ohne Toilette. „Die Männer hatten es da ein wenig besser. Sie waren zu viert und der Gärtner hatte gar ein Einzelzimmer,“ schildert Helen Kalberer die damalige Situation der Angestellten. Auch mit dem Essen ging man nicht gerade grosszügig um. „Doch übereinstimmend schwärmen heute noch beide Damen von den feinen Gnocchi, die die langjährige Köchin Sophie Kalberer auf den Tisch gezaubert hat.


Tolle gesellschaftliche Ereignisse
Das Kurhaus Wangs wurde jeweils an Ostern eröffnet und beherbergte Gäste bis in den November hinein. Man verfügte über 65 Betten, beherbergte aber manchmal bis zu 80 Gäste! Der Zulauf war damals ganz enorm. Eröffnet wurde die Saison mit einem Tanzabend, der sowohl bei Gästen als auch bei Einheimischen sehr beliebt war. Am 1. August organisierte das Besitzerehepaar jeweils einen Fackelzug ins Dorf hinunter. Ganz besonders gut erinnern sich die beiden Zeitzeuginnen an den traditionellen „Schneeflockenball“, der für geladene Gäste organisiert wurde. Für die Gäste selbst hat man auch Spaziergänge in der Umgebung, Postautofahrten oder gar Kutschenfahrten in die Bündner Herrschaft organisiert. Das Kurhaus Wangs war damals tatsächlich ein Jungbrunnen für die Gesundheit und ein Mekka für die Unterhaltung. „Es war eine strenge Zeit, aber wir möchten keine Stunde missen,“ meinen die beiden Damen abschliessend ihrer Schilderungen, wie es damals – in den Jahren des Zweiten Weltkrieges – im Kurhaus Wangs zu und her hing.
 



Drogerie zum Apfelbaum - Kräuterversandhaus

Die "Drogerie zum Apfelbaum" befand sich im Unterdorf in Mels. Der damalige Besitzer, Alois Reichlin (im Bild vor seinem Haus) übernahm den Kräuterversand von Pfarrer Johann Künzle. Die Kräuterprodukte waren nicht nur in Europa bekannt; sie wurden damals auch nach Amerika verschickt. 1924 wurde das Geschäft an Drogist Alois Hohl verkauft, der es vergrösserte und das Kräuterversandhaus weiterführte.

Das Haus ist seit 1976 im Besitz der Familie Brandstetter, Büroservice, Mels, welcher uns auch dieses tolle Foto zur Verfügung gestellt hat.
 
drogerie apfelbaum